Wieder zuhause, oder doch nicht?

Heile Straßen, heile Autos. Alles sieht so nigelnagelneu und gepflegt aus. Die Bäume sind so übernatürlich grün und säumen mit vollen Kronen die Straßenränder, es gibt Fahrrad- und Fußwege, die ein sicheres Vorankommen neben den Autos gewährleisten. Häuser sind eingezäunt, Hecken sind mannshoch sowie blickdicht und die Häuser sind dahinter trotzdem noch zu sehen, weil sie zwei- oder mehrstöckig sind. Die Erde ist zugepflastert, ich laufe über viel mehr Asphalt als natürlichen Boden, fühle mich eingeengt. Mein Blick geht in die Ferne und landet zwanzig Meter weiter an der nächsten Hausfront. Backsteingemäuer mit so vielen intakten Fensterscheiben. Ich falle nicht mehr auf, werde nicht mehr von quasi jeder vorbeiziehenden Person gegrüßt. Ich verschmelze mit der Masse, die sich durch den Tag schiebt und in die U-Bahn hinein. Was ein wildes Konzept - Züge -, die auch noch pünktlich nach Fahrplan fahren. Die Türen piepen, schließen sich automatisch und ich suche mir einen Platz. Blicke dabei in ausdruckslose, nahezu tote Gesichter. Niemand will Kontakt zu Unbekannten, jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Ich weiß gar nicht wohin mit mir.

 

Ich bin wieder in Deutschland angekommen und versuche mich hier Stück für Stück zurecht zu finden. Wenn ich so nüchtern darüber nachdenke, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass ich schon einen Monat wieder hier bin.

 

Die letzten Tage in Sambia waren sehr besonders und ich habe sie wirklich in vollen Zügen genossen. Sehr dankbar war ich für die letzten gemeinsamen Arbeitsstunden in der Schneiderei und dafür, dass ich mit den Schneiderinnen noch einen letzten Workshop machen durfte. Ihre Freude darüber, zu lernen, wie sie sich ihren eigenen Hut nähen, werde ich nie vergessen. Sehen wir nicht stylisch aus?

 

Am vorletzten Abend haben wir noch einmal ausgiebig die rote Sonne beobachtet, wie sie hinterm Horizont verschwindet. So lange haben wir dort gesessen und den letzten Erdnussbutter-Milchshake getrunken, bis der rote Feuerball wirklich nur noch vor unseren inneren Augen am Horizont gebrannt hat. An meinem letzten Samstag im Compound durfte ich noch lernen wie man Chikanda macht, ein typisches sambisches Gericht, das ich richtig gerne gegessen habe. Es wird aus der Chikanda Wurzel erst gekocht, zusammen mit gemahlenen Erdnüssen und Natron. Zum Schluss wird es ganz klassisch auch ohne Ofen mit Ober- und Unterhitze (siehe Bild) wie zu einem Kuchen gebacken und dann mit Chilisoße drauf gegessen. Es schmeckt ein bisschen süßlich, aber auch wie Würstchen, also wie veganer Fleischersatz. Hört sich komisch an, ist aber wirklich sehr lecker!

Alles in allem war es ein sehr runder Abschied für mich , der sowohl von Abschiedstränen geprägt war als auch von Freudentränen über all die gemeinsam geschafften Erinnerungen. Ich wurde vor allem von unseren Schneiderinnen herzlich gedrückt und mit Tränen verabschiedet, was mich sehr überrumpelt hat, da öffentliches Umarmen und Tränen vergießen in Sambia nicht üblich ist. 

 

Schließlich wirklich aus Kabwe rauszufahren viel mir unendlich schwer und ich war doppelt froh, dass ich wusste, in Deutschland erwarten mich schon liebe Menschen.

 

Ansonsten wäre ich vermutlich wirklich wieder umgedreht und einfach da geblieben. Nach nur ca. 24h hatte ich auch tatsächlich so einen wundervollen Empfang am Flughafen voller guter Umarmungen.

 

Tatsächlich ist mir erst hier so richtig bewusst geworden wie unterschiedlich die Welten sind, die für mich im Kopf gerade aufeinanderprallen. Manche Erfahrungen, die ich gesammelt habe oder manche veränderte Ansichten, mit denen ich hier wieder gelandet bin, passen einfach nicht in die westliche Welt. Auf der anderen Seite genieße ich auch ganz viele Dinge, die ich in den ersten sieben Monaten diesen Jahres sehr vermisst habe. Einige Dinge hatte ich ganz und gar nicht ausgeblendet und es macht Spaß sie wieder neu zu entdecken. Wie schön ist es doch, um Mitternacht nochmal spontan für einen Spaziergang rausgehen zu können. Wie genüsslich kann es sein, zu den selbstgekochten Nudeln mit Pilzen, Zucchini, Tofu (und was ich noch so alles vermisst habe) ein feines Glas Weißwein zu trinken. Was ein Gefühl von Freiheit es auslöst, endlich wieder nackt in die Ostsee zu springen oder kniefreie Kleider zu tragen. Wie erleichternd ist es doch, eine Spülmaschine zu haben, beim Fahrradfahren in einen höheren oder niedrigeren Gang schalten zu können oder eine funktionierende Wlan-Verbindung zu haben? - Ein ganz neues Erlebnis einen Film wieder in einem Stück gucken zu können.

 

 

Zwischen diese Freudenmomente schleichen sich auch immer wieder Sambia Momente. Es tut gut, in Erinnerungen zu schwelgen und es macht Freude, wenn Leute Interesse zeigen und Fragen stellen. Es braucht sicher auch noch etwas, um die Zeit zu verarbeiten, aber das ist ok, denke ich. Die Zeit hat mich eben geprägt und auch verändert.

 

„Tukamonana ichita imbi, Sambia.“ - Bis zum nächsten Mal, Sambia. Ich bin gespannt, wann das sein wird…


Ob das der letzte Blogartikel sein wird, weiß ich noch nicht. Aber ich möchte allen danken, die mit mir dieses Abenteuer aus der Ferne durchlebt haben und all diese Zeilen gelesen haben. Die sich die Zeit genommen haben, in die guten und schlechten Seiten einer anderen Welt einzutauchen. Die ihre Herzen geöffnet haben, die Probleme und Schwierigkeiten in der sambischen Welt zu verstehen. Natotela sana - Dickes Danke an alle, die mich während der Zeit unterstützt haben. Ob durch Zuhören und Interesse zeigen, finanziell oder auch nur durch kurze Nachrichten, dass sie meinen Artikel gelesen haben und an mich denken.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Luisa (Montag, 28 August 2023 14:26)

    Danke, dass du mich mit deinen Worten mitgenommen hast in dein Abenteuer:)

  • #2

    Jakob (Mittwoch, 30 August 2023 11:00)

    Willkommene zurück ;)

  • #3

    Gundula (Montag, 04 September 2023 21:37)

    Die Erfahrungen kann dir niemand nehmen