Seit ein paar Tagen verstehe ich das Konzept Afrika und Wollsocken. Genauer gesagt Wollsocken in Birkenstocks. Es ist dieser eine Monat, in dem es hier in Sambia tatsächlich kälter ist als in Deutschland. Während sich bei Telefonaten nach Hause alle über die Hitze beschweren, sitze ich in Pulli, Wollsocken und Schal in meinem Zimmer mit Wärmflasche, denn Heizungen gibt es hier nicht. Obwohl es in der Wohnung kalt ist, teilweise kälter als draußen, bin ich dankbar dass sie winddicht ist, was viele Sambier von ihren Hütten hier nicht behaupten können.
Die Jahreszeiten hier in Sambia sind relativ simpel. Es ist heiß und sonnig von August bis Anfang Dezember. Mit heiß meine ich vor allem im Oktober wirklich sehr, sehr heiß. Ab Dezember beginnt für vier bis fünf Monate die Regenzeit. Das bedeutet es ist immer noch heiß und sonnig, aber täglich kommen heftige Regenschauer von ein paar Sekunden bis mehrere Minuten aus den plötzlich auftauchenden Wolkendecken geschossen. Mit heftig meine ich wirklich so heftig und plötzlich, wie ich es vorher noch nicht erlebt habe. Sie überfluten alles und durchziehen Straßen mit tiefen Schlaglöchern. Teilweise schafft der Boden es gar nicht, diese Wassermassen versickern zu lassen, sodass große und tiefe Pfützen entstehen, die über die Regenzeit so bestehen bleiben. Wenn die Regenzeit vorbei ist, wird es von Tag zu Tag trockener und der rote Staub kommt aus seinen Ecken gekrochen.
Es wird staubig und damit meine ich wirklich staubig. Bäume und Büsche längsseits der Straßen sind rot gepudert von Autos, die vorbeifahren und den Staub aufwirbeln. Jeden Tag ist meine erste Amtshandlung nach der Arbeit, Füße und Hände zu waschen und jeden Tag aufs Neue füllt sich das Waschbecken dabei mit Dreckwasser. Der Staub ist überall. Juni und Juli wird es kalt und windig. Der Wind nimmt sich dem Staub in der Luft wirklich an, wirbelt ihn durch die Gegend und macht alles nur noch schlimmer. Die kalten Temperaturen hier sind fast wie ein schlechter Sommer in Norddeutschland, sollte also eigentlich kein Problem sein, aber es fühlt sich kälter an. Die Extreme ist vor allem der Temperaturunterschied innerhalb eines Tages. Mittags werden oft wieder 30°C in der Sonne und nachts kühlt es aber auf 11°C ab. Gerade ist deswegen morgens beim Anziehen Zwiebel-Look angesagt.
Jetzt verstehe ich wirklich, warum wir anfangs des zweiten Trimesters (Anfang Mai) bei brüllender Hitze Pullover und Socken an jeden Schüler und jede Schülerin verteilt haben. Jetzt ist die Zeit im Jahr, während der sie die wärmenden Kleidungsstücke auf dem Weg zur Schule und eigentlich den ganzen Tag über wirklich gebrauchen können. Viele haben sogar oft noch einen zweiten eigenen Pullover darunter an, denn der Wind zieht schon sehr kalt durch die Kleidung. Auffällig ist trotzdem, dass gefühlt viele hier eher frieren, als sich dick einzupacken. Warme Kleidungsstücke und vor allem auch Jacken und dicke Socken sind Besonderheiten.
Etwas kurios ist die Wassermelonen Zeit, die auf die kalten Wochen im Jahr fällt. Zum Glück wird es tagsüber so warm, dass es sich wie deutscher Sommer anfühlt, sodass man sich über eine kalte Wassermelone freut.
Mit den Jahreszeiten verändert sich auch die Landschaft radikal. Radikaler als ich es von meiner Heimat her kenne - würde ich behaupten. Natürlich sind Felder grün und dann wieder brach, aber hier sprießt alles während der Regenzeit wirklich nur so aus dem Boden. Gras wird meterhoch und überall wächst Mais. Über die heißen Monate wird alles staubtrocken und richtig karg. Der Boden reißt auf, bis auf die immergrünen Bäume ist sonst nichts grün. Durch die ganze Landschaft zieht sich dieser eine braun rote Farbton. Und den Staub nicht zu vergessen, um ihn noch einmal mehr zu erwähnen, denn er spielt wirklich eine größere Rolle als vielen lieb ist.
Dafür färbt sich der Himmel jeden Abend in tausend Farben, wenn die Sonne sich dem Horizont nähert. Irgendwie wusste ich auch vorher, dass die Sonne in Afrika beim Sonnenuntergang teilweise rot wird, aber die Sonne dann tatsächlich so tiefrot zu sehen, ist nochmal eine Nummer größer. Man hat wirklich das Gefühl, man sieht nicht richtig, so unnatürlich und unwirklich wirkt der Feuerball am Himmel. Spannend finde ich in den wenigen Minuten auch, dass der restliche Himmel wenig gefärbt ist und die Sonne sich farblich wirklich richtig abhebt. Erst später, wenn die Dämmerung einsetzt, färbt sich der ganze Himmel im Osten nochmal richtig rot. Genau, richtig gelesen. Eigentlich klar, aber ich hab ein paar Wochen gebraucht, bis mir aufgefallen ist, dass die Sonne hier, anders als wir es kennen, im Westen aufgeht und im Osten wieder untergeht. Willkommen auf der Südhalbkugel!
Feurig wird hier nicht nur die Sonne am Abend sondern oft auch der Straßenrand. Sobald der vermeintlich letzte Regenschauer für die Regenzeit gefallen ist, fangen viele Leute Stück für Stück an, ihr Land, gelinde gesagt, abzufackeln. Ihrer Meinung nach ist dies die einfachste und beste Art, den Boden zu regenerieren. Immer wieder kämpfen wir uns luftanhaltend durch dicke schwarze Rauchschwaden, die mitten in der Stadt durch die Straßen ziehen. Nur selten bekommt man mit, dass ein Feuer außer Kontrolle gerät. Da die Brände teilweise aber wirklich „Osterfeuer-groß“ werden, ist es mir immer noch ein Rätsel, wie das Feuer unter Kontrolle gehalten wird.
Ich hab zu mindestens noch nie jemanden mit Wasser löschen sehen. Noch unangenehmer sind die beißenden Rauchschwaden von kleinen privaten Müllverbrennungen, die dir auch an jeder Straßenecke begegnen können. Müll sammelt sich hier leider wirklich überwiegend am Boden, was einige Orte sehr dreckig macht. Dazu muss man auch sagen, dass es quasi keine öffentlichen Mülleimer gibt und es für die Sambier/innen ganz selbstverständlich ist, Müll dort zu entsorgen, wo er entsteht.
Woran ich persönlich die Zeit hier ein bisschen gelitten habe, waren die fehlenden Gewässer. Zeitweise habe ich mich wie ein Fisch auf trockenem Land gefühlt. Deswegen haben mich die zwei Camping-Nächte vor ein paar Wochen am Itezhi Tezhi Dam sehr glücklich gemacht.
Der See ist so groß, dass man an einigen Stellen das andere Ufer nicht sehen kann. Man bekommt fast das Gefühl, als blicke man auf die See. Die kleinen Wellen, die ans Ufer plätschern, haben den Moment tatkräftig unterstützt. Nur auf das Schwimmengehen musste ich verzichten. Denn wo man mal Wasser findet, sind leider auch Krokodile und Hippos nicht weit, denen man nicht in die Quere kommen will. So durfte ich lernen, Wasser bleibt Wasser. Und es war unfassbar wertvoll, nur am Wasser zu sitzen, in die Ferne zu gucken, den Wind zu spüren und die frische Brise zu riechen, um meinen Tank wieder aufzufüllen.
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Anne Mohrdieck (Dienstag, 25 Juli 2023 03:17)
Liebe Viki,
es ist unglaublich interessant, was du schreibst. Ich wuensche dir noch beine gute wochhe und dann gutes Heimkehren.
deine Anne
Björni (Samstag, 29 Juli 2023)
Danke Viki, für den tollen Blog! Habe es sehr gern verfolgt. Wir sind auf deinen Vor-Ort-Bericht sehr gespannt!�. Gute Heimreise�