Gemeinsame Freude ist dreifache Freude

Wir sind ziemlich genau in der Mitte des zweiten Trimesters des sambischen Schuljahres. Nächste Woche starten die Vorprüfungen der 7. und 9. Klassen, die Ende des dritten Trimesters dann ihre Abschlussprüfungen schreiben. Das bedeutet, die Schülerinnen und Schüler sind schon jetzt fleißig am Lernen. Die untern Klassen haben das Glück, vom Ernst des Lebens noch etwas verschont zu bleiben. 

 

Freitagmorgens starten wir um 07:30 Uhr an der Schule mit allen Mitarbeitern sowie Schülern von Life Trust mit der sogenannten „Assembly“. Wir versammeln uns auf dem Schulhof, die Kinder stehen sternförmig in ihren Klassen um das kleine Podest und die Mitarbeiter drumherum. Eingeleitet in die kleine wöchentliche Versammlung wird mit dem „Vater unser“ und anschließend daran der sambischen Nationalhymne. Das Singen der Hymne ist hier sehr üblich, eher schon eine Selbstverständlichkeit. Im Anschluss daran singt an guten Freitagen der noch relativ frisch gegründete Schulchor, was ich immer sehr genieße! Sie singen mehrstimmig und werden nur von den zwei Trommeln begleitet. (Wenn Fotos Ton hätten, würde ich euch gerne an dieser Freude teilhaben lassen…) 

Der Hauptteil der „Assembly“ ist ein biblischer Input, der abwechselnd den verschiedenen Arbeitsbereichen vorbereitet und meistens in Form einen kleinen Anspiels zum Besten gegeben wird. Auch wir Kurzis sind als Gruppe alle paar Wochen damit an der Reihe. Die Stimmung, die dabei herrscht, ist wirklich besonders und wir dürfen uns daran ein Beispiel nehmen. Egal, ob Sozialarbeiter, Lehrer, Officemitarbeiter oder sogar die oberste Life Trust Leitung alle Sambier haben es wirklich drauf, sich ungeniert in dem Rahmen zum Affen zu machen und den Kids dabei trotzdem etwas mitzugeben. Die Kinder haben meistens so viel Vergnügen daran und alle anderen freuen sich mit ihnen. Ich mag diese nahbare Beziehung, die dadurch zwischen Erwachsenen und Kindern entsteht und finde das eine schöne Art Vorbild zu sein. Ich habe allgemein das Gefühl, dass hier in peinlichen Momenten miteinander und nicht übereinander gelacht wird. In Situationen, in denen wir peinliches angespanntes Schweigen kennen, weil zum Beispiel die Musik mitten in der Tanzvorführung ausgegangen ist, erfüllt hier gemeinsames überaus freudiges Lachen die Phase der Lösungssuche. Zu Anfang war das etwas komisch, aber eigentlich ist es eine viel schönere Handhabung, finde ich. 

 

In der Zeit für Ankündigungen wird jede Woche wieder neu daran erinnert, dass auf unserem Schulgelände der Müll in die Mülleimer gehört. Ein Thema, das wir auch aus unserem Alltag kennen. Der Unterschied ist nur, dass die Kinder es hier nicht besser wissen, denn es gibt so gut wie keine öffentlichen Mülleimer in der Stadt und im Compound tatsächlich gar keine. Müll landet auf der Straße und wird an Ort und Stelle irgendwann in kleinen Haufen verbrannt.

 

Zum Ende der Zusammenkunft gehen alle Klassen nacheinander jeweils geordnet in einer Reihe in ihre Klassenräume. Wir Mitarbeiter versammeln uns für ein kurzes Meeting in einem großen Kreis, von dem aus wir anschließend in kleinen Gruppen einen kurzen „Prayer Walk“ durch den Compound starten. Neben unseren Gebetsanliegen für Life Trust versuchen wir uns so auch für die der Community zu sensibilisieren und unsere Augen für die Schwierigkeiten der direkte Nachbarschaft zu öffnen.

 

Zurück auf dem Schulgelände geht es in den Unterricht der 1B, in dem ich immer mal wieder unterstützen darf… Auch wenn dort zwischendurch immer etwas das Chaos herrscht, wird hier fleißig gelernt. Ich finde es sehr beeindruckend wie die Klassenlehrerin so viel Geduld und Hingabe für ihre Schüler und Schülerinnen hat. Sie meinte letztens zu mir milde lächelnd, sie müssten das Stillsitzen und Lernen ja auch erstmal lernen… In den letzten Wochen durfte ich vor allem den Matheunterricht der 1B einmal die Woche unterstützen.

Mithilfe von Rechenschiebern lernen sie gerade Addition und Subtraktion im Zwanzigerbereich. Heute sollen in Gruppenarbeit die Schwächeren von ihren stärkeren Klassenkameraden lernen. Tatsächlich sind alle sehr bemüht, aber man merkt doch deutliche Unterschiede im Begreifen von neuen Inhalten. Bei der Beobachtung darf man nicht außer Acht lassen, dass die Kinder din Kinder in ihren ersten Lebensjahren sehr unterschiedlich von ihren Eltern gefördert werden und dementsprechend mit verschiedenen Wissensstadien in die Schule starten. Auf kleinen Schiefertafeln werden die Ergebnisse fein säuberlich aufgeschrieben, um sie dann vor der gesamten Klasse zu präsentieren. 

 

Die Pause war mal wieder bunt, so bunt wie das Schwungtuch, das wir heute für die halbstündige Pause mit zwei Bällen unter die Kinder gegeben haben. Das war eine Freude für alle Beteiligten. In einer anderen Ecke haben wir auf ein paar Säcken sitzend im Kreis neue Klatschspiele gelernt - erst die Kinder eins von mir und anschließend ich eins von ihnen. Alle wuseln freudig und laut durcheinander, spielen, toben oder mampfen ihr Frühstück, das die Kids in letzter Zeit wieder mehr mitbringen. Man sieht viele mit salzigem Popcorn, anderem Maissnack oder Wassereis - was ein Träumchen. Von der anderen Seite hört man die Eisenstange auf die Autofelge schlagen - Pausenende. Das ging schnell vorbei. Die Masse setzt sich in Bewegung und strömt in die eine Richtung. Wir lassen uns mitziehen und sind im Klassenzimmer der 1B bereit für die nächste Unterrichtsstunde.

 

Zahnbürsten - ein selbstverständlicher Alltagsgegenstand für uns und auch für deutsche Erstklässler… die Augen einiger Kids weiten sich, als sie den Stapel Zahnbürsten vorne liegen sehen. Es gibt heute für jede eine Bürste und dank einer Spende von einer deutschen Zahnarztpraxis gibt es für jedes Kind auch noch eine kleine Zahnpasta dazu. Aber erstmal ist die Theorie an der Reihe! 

 

Wir reden über Hygiene und was dabei alles wichtig ist. Ich liebe es, wie alltagsnah die Schulbücher hier sind und dass wirklich bildlich das behandelt wird, was den Kids im Compound auch zur Verfügung steht. Stolz wie sonst was und etwas aufgeregt zeigen die Kids mir ihre neuste Errungenschaft, bevor wir für die erste Praxis auf den Sportplatz gehen.

 

 

Auf dem Weg wird die eigene Wasserflasche am Waschbecken gefüllt, geputzt wird jedoch im Freien - alltagsfreundlich eben. Einige putzen wild und überschwänglich, andere wiederum ganz zaghaft und vorsichtig. Dazu werden manche Stimmen laut, die Zahnbürste sei hart und tue weh. Kein Wunder, dass es erstmal ungewohnt für die Zähne und sie selber ist, für viele ist es das erste Mal Zähneputzen. Die meisten Kinder putzen Zuhause mit dem Finger ihre Zähne, wenn sie überhaupt putzen. Da Erziehung von der Seite der Eltern hier kaum bis gar nicht stattfindet, finde ich es sehr besonders, dass die Lehrer hier an der Schule Zeit dafür haben, ihren Klassen neben dem Schulstoff auch wichtige Lebensgrundlagen zu vermitteln. Ich fühle mich sehr geehrt, dieses besondere Ereignis mit den Kids zusammen erleben zu dürfen. Ihre Gesichtsausdrücke und Grimassen werde ich mit Sicherheit nie vergessen…

 

 

Das zweite Trimester im Schuljahr trägt die Besonderheit, dass die Kinder eine AG wählen dürfen, die einmal die Woche stattfinden. Diese Kurse werden von allen frei verfügbaren Lehrern sowie und Kurzis angeboten. Es gibt uns die Möglichkeit individuelle Interessen und Vorlieben der Schüler und Schülerinnen zu fördern. In meinem „Club“, so heißen die AG‘s hier, wird geturnt.

 

 

Es ist herausfordernd die Gruppe so zusammen zu halten, ohne in deren Muttersprache Machtworte sprechen zu können. Aber es macht so viel Freude, ihnen diese Aktivität näher zu bringen, kleine Fortschritte gemeinsam zu feiern und zusammen zu lachen, wenn mein Vorturnen in die Hose gegangen ist. Ich durfte merken, dass es doch schon einige Jahre her ist, dass ich selber geturnt hab und nicht mehr alles so funktioniert, wie mein Kopf das noch denkt… Zum Glück lacht man hier ja miteinander und nicht übereinander!

 

Bevor es nach Hause geht, schaue ich noch einmal bei der 1B vorbei. Hier wird fleißig das Klassenzimmer aufgeräumt, gefegt und gefeudelt. Jeden Tag bleibt in jeder Klasse eine Kleingruppe abwechselnd nach dem Unterricht länger und putzt gemeinsam. Hier ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder schon sehr früh Haushaltsaufgaben lernen und ausüben. Das ist zum Beispiel ein Moment, in dem ich merke, dass die Unterschiede doch groß sind, zu dem wie ich aufgewachsen bin. Und ich mich frage, warum das in Deutschland nicht so gemacht wird. Eine sechsjährige, die alle paar Wochen ihr Klassenzimmer feudelt, in dem sie täglich lernen darf? Warum eigentlich nicht?

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