Am Gründonnerstag starten wir in den letzten Schultag für Term 1. Die Schülerinnen und Schüler kommen mit ihren Eltern zusammen an die Schule, um das „Report Book“, das hier das Zeugnis am Ende jedes der drei Terms ist, abzuholen. Mit den Ostertagen starten die vier Wochen Ferien. Es ist ein komisches Gefühl, dass die Schule jetzt erstmal schließt und bis Mai quasi wie Eingeschlafen wirken wird.
Über die Ostertage allgemein scheint es hier in Sambia nicht allzu viele beziehungsweise eigentlich gar keine Festtraditionen zu geben. Teilweise feiern Kirchen nicht einmal einen Ostergottesdienst. Das hat mich sehr überrascht. Andere wiederum feiern schon in der Woche vor Ostern am Dienstag, Donnerstag oder Freitag lange Gottesdienste zur Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Dementsprechend bunt waren meine Ostererlebnisse…
In der prallen Nachmittagssonne verlassen mein Fahrrad und ich die große Straße, die Richtung Lusaka führt, schlängeln uns durch die mit Menschen gefüllten schmalen Gassen des Markts und huckeln dann über die „Dirt Road“, die noch von der Regenzeit sehr uneben ist. Die Schlaglöcher sind teilweise unangenehm tief. Nach kurzer Zeit biege ich in eine kleine Häusersiedlung ab. Ich bin zu Besuch bei einer Lehrerin unserer Schule eingeladen.
Sie wohnt in einem kleinen Haus, ich schätze es auf zehn Quadratmeter, das in einer kleinen Häusergemeinschaft angesiedelt ist. Ich klopfe an die Holztür, sie heißt mich in ihrem Haus willkommen und bietet mir ihren einzigen Plastikstuhl an. Sie selbst, ihr Sohn und ihre Schwester setzten sich auf einem Tuch auf den Boden. Ihren einen Raum trennt in der Mitte ein Vorhang, hinter dem der „private“ Schlaf- und Waschbereich ist. In unserem Teil sind noch ein paar Kochutensilien gelagert, ein Mielie Meal Sack steht in der Ecke und es hängen sogar Vorhänge vor den Fenstern. Im Wellblechdach sind kleine Löcher, aber sie meint später im Gespräch, dass es nie reinregnen würde. Sie könne sich das auch nicht erklären, aber glücklicherweise sei es so.
Wir reden über dies und jenes. Bei der ersten guten Gelegenheit geselle ich mich zu den anderen auf den Boden. So bevorzugt zu werden, ist mir extrem unangenehm. Gehöre ich doch zu Hause zu den größten Bodenhockern… aber hier gilt das auch als ein Zeichen von Gastfreundschaft und Höflichkeit, dem ich nicht ganz so achtlos entgegentreten möchte.
Auf meinem Rückweg werde ich das erste Stück von ihr begleitet. Auch das gehört hier dazu. Wir verabschieden uns, nachdem wir den Markt passiert haben und ich mache mich mit meinem Fahrrad die große Straße entlang auf nach Hause. Zu dem Zeitpunkt ist mir noch nicht bewusst, dass der Tag noch einen kleinen Kulturschock für mich bereithält. Ich habe nämlich von meinen WG-Mädels einen Massage Gutschein zum Geburtstag bekommen, für den ich abends einen Termin habe.
Nachdem ich den Nachmittag in einem zehn Quadratmeter Haus ohne Möbel verbracht habe, betrete ich abends den Spa-Bereich eines in der Stadt gelegenen Hotels. Alles ist blitzblank, schön dekoriert und helles Licht durchflutet den Raum. Ich fühle mich als hätte mich die Eingangstür gerade nach Europa zurück teleportiert. Es ist das erste mal, dass ich in meinem Leben eine professionelle Massage bekomme. Ich habe also keinen Referenzpunkt, würde aber behaupten, dass die Massage erste Klasse war. Umgerechnet in Euro hat mich diese Stunde ca. 14€ gekostet. Dein erster Gedanke ist jetzt sicherlich auch, „Mensch ist das günstig.“ So ging es mir auch und dann holte mich mein Nachmittag wieder ein, mit welchem Lebensstandard viele hier leben - 300 Kwacha - das ist für einige Sambier ein Wochengehalt… Solche direkten Vergleiche sollte man immer mit Vorsicht betrachten, aber ich finde es einfach sehr wichtig, mein Geld bewusst auszugeben, vor allem wenn ich hier tagtäglich mit so unterschiedlichen Lebensstandards konfrontiert werde.
Es ist früh am Ostersamstag - 7 Uhr um genau zu sein - wir starten mit einem voll gepackten Auto in den Tag. 190 Produkte aus unserer Schneiderei sind im Kofferraum und auf dem Dach des Autos verstaut, als wir die Straße aus Kabwe raus Richtung Süden fahren. Heute ist Markttag auf einer etwas weiter draußen gelegenen Farm. Auf dem Weg halten wir beim „Fig Tree Café“ , eins der beiden einzigen richtigen Cafés in und um Kabwe herum, für ein kleines für uns sehr besonderes Frühstück. Falls jemand hier mal vorbeikommen sollte, den Erdnuss-Milchshake kann ich wärmstens empfehlen. Ich würde sogar behaupten, es ist der beste Milchshake, den ich jemals getrunken habe ;)
Zwischen Bäumen, Blumen und anderem Grünzeug wuseln Leute durch die Gegend und bauen emsig ihre Stände auf. Die Sonne strahlt durch das Blätterwerk, das uns dankbarerweise ein bisschen Schatten spendet, und malt mit Licht und Schatten Mandalas auf den grünen Rasen. Es ist ein traumhaft schöner Ort. Kunterbunt sieht unser Stand fertig aufgebaut aus. Ein Haufen verschiedener Chitenge Muster, so schön sambisch. Über den Vormittag verteilt ist es mal voller und mal weniger voll. Die Arbeiten unserer Schneiderinnen kommen sehr gut an, viele sind begeistert, stellen Fragen zum Projekt und wir verkaufen einiges. Ich hatte schon vorher von der legendären „Book-Lady“ gehört und mache mich in meiner Verkaufspause auf die Suche nach ihr. Während ich so über den Markt schlendere, erwerbe ich einen Sack voll Avocados und zwei Säcke Passionsfrüchte für ein paar Kwacha. In der hintersten Ecke stoße ich schließlich auf die Bücherfrau, die neben einem anderen sambischen Stand mit kleinen handwerklichen Tonkrügen, ihren Stand aufgebaut hat. In meiner Tasche landet beides, eine kleine Hütte aus Ton für ein Teelicht und ein mit Chitenge gebundenes Büchlein.
Es dämmert langsam, als wir durch die Gartenpforte zu unseren Nachbarn rübergehen. Wir sind zum Osterfeuer eingeladen und ich freue mich riesig, denn zum ersten Mal in diesen Tagen kommt richtiges Osterfeeling auf. Im Kreis um die frisch gezimmerte Feuerstelle sitzend, lesen wir gemeinsam die Ostergeschichte und erinnern uns daran, warum wir eigentlich Ostern feiern. Dann wird die Feuerstelle eingeweiht und Simon entzündet das schon aufgestapelte Holz. Es knistert und knackt, das Holz brennt schnell lichterloh und wärmt die Luft um uns herum auf. Jetzt im Dunkeln wird es etwas frischer, aber dank des Feuers lässt es sich weiter in Tshirt und kurzer Hose gut aushalten. Der Abend wird gesellig und ist gefüllt mit all den Leckereien, die einen guten Lagerfeuerabend ausmachen. Es gibt Würste, Stockbrot, Marshmallows und Schoko-Bananen in der Glut gegrillt. Es ist so gemütlich, dass wir viel zu spät den Heimweg antreten…
Nur ein paar Stunden später reißt mich mein Wecker um 04:30 Uhr aus meiner Tiefschlafphase. Etwas neben der Spur sammle ich meine Sachen zusammen und mache mich abfahrbereit. Wir wollen den Sonnenaufgang auf dem Prayer Mountain erwischen. Das Taxi ist tatsächlich pünktlich, aber wir erfahren schnell, das der Taxifahrer den Weg nicht weiß. Bis wir dann kurz vorm Ziel den Berg in der ersten Morgendämmerung entdecken, sind wir uns nicht ganz sicher, ob wir auf dem richtigen Weg unterwegs sind, aber gemeinsam hatten wir offensichtlich bei allen Kreuzungen den richtigen Riecher. Mithilfe des ersten Tageslichts können wir den Berg ohne unsere Stirnlampen erklimmen.
Oben angekommen bin ich sprachlos. In einer kleinen Senke hängt dichter Nebel und der Horizont ist mit einer Wolkenkette geziert, die von der Sonne rot angeleuchtet wird. Wind weht uns durch die Haare und rüttelt sachte die Erde wach, die uns zu unseren Füßen liegt. Gespannt und ohne ein Wort zu wechseln beobachten wir, wie die Sonne hinter der Wolkenkette zum Vorschein kommt. Die Sonnenstrahlen erstrecken sich einzeln über die Steppe und erzeugen ein magisches Licht, dass voller Hoffnung zu sein scheint - wie passend für den Ostersonntag. Mit heißem Tee und Gitarrenklängen vergessen wir fast die Zeit dort oben.
Nach einem kurzen Frühstücks-Stopp zu Hause, mache ich mich mit dem Fahrrad auf zu einer Kirche im Compound, in die ich heute einer der Schneiderinnen begleiten möchte. Für die Sambier/innen ist es eine sehr große Ehre, wenn man ihre Kirchen besuchen kommt. Auch für mich ist es sehr wertvoll, die Life Trust Mitarbeiter/innen so näher kennen lernen zu können sowie einen Einblick in die vielen verschiedenen Gemeinden hier zu erhaschen.
Die Mikros sind viel zu laut gedreht und es gibt immer wieder Rückkopplungen. Diese unangenehme Lautstärke scheint Sambier/innen wirklich nicht zu stören, aber vielleicht kennen sie es auch nicht anders. Für meine Ohren wird es mit der Zeit immer anstrengender, aber noch ist an das Ende des Gottesdienstes überhaupt nicht zu denken. Die Kirche bildet sich aus vier gemauerten Wänden, die von einem Wellblechdach abgedeckt werden. Das Dach wird von einigen Metallsäulen, die im großen Raum verteilt stehen, und einer kleinen Holzkonstruktion ähnlich einem Dachstuhl gestützt. Alles ist unverputzt. In den Fenstern fehlen noch die Gläser, aber immerhin sind auf zwei Seiten schon metallene Fensterrahmen in den Mauerlöchern. Wir sitzen auf im Raum verteilten Plastikstühlen.
Ein kleines Mädchen kommt auf mich zu und nimmt mich bei der Hand. Wir schleichen uns aus der Kirche raus in den Hof zur Kinderkirche, hier „Sunday School genannt“. Diese Abwechslung ist mir sehr willkommen. Wir sprechen über Jesus, singen, spielen, tanzen…hier berichtige ich mich, sie tanzen und ich gucke begeistert zu… die Kinder haben die Bewegungen und das Taktgefühl so sehr im Blut, da kann ich nicht ansatzweise mithalten. Beim Zugucken kann ich mich sowieso viel besser auf ihre strahlenden Augen und die pure Freude konzentrieren, die jedem Einzelnen beim Tanzen ins Gesicht geschrieben steht. Was ein besonderer Moment!
Bis nachmittags um 17 Uhr verbringe ich dort den Sonntag. Nach einer Mittagspause haben wir direkt in den Nachmittagsgottesdienst gestartet. Ich verstehe manches, aber vieles ist auf Bemba. Es ist ermüdend für den Kopf auf Dauer einer Sprache zu lauschen, die man eigentlich nicht ansatzweise versteht. Allerdings hat es auch etwas sehr wertvolles, mitten im Geschehen zu sitzen und die ganze Szenerie trotzdem von außen beobachten zu können. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich könnte mir nichts besseres vorstellen, um die Kultur und die Menschen Stück für Stück kennen und verstehen zu lernen. Es geht aber tatsächlich keine Minute um Ostern, so viel kann ich mit Sicherheit sagen. Nach sieben Stunden Kirche reicht es mir aber doch erstmal wieder. Ich habe sehr viel Hochachtung vor den Sambiern, die jede Woche einen ganzen Tag in der Kirche mit Gottesdienst verbringen, denn eigentlich hatte ich schon zur Mittagszeit genug. Den ganzen Tag zu bleiben, erfordert zwar Geduld und Ausdauer, aber im Nachhinein bin ich jedes Mal froh das volle Programm miterlebt zu haben. Wenn schon, dann richtig! Ich werde auf jeden Fall bestens vorbereitet sein, falls sie den 60 Minuten-Gottesdienst zu Hause in Deutschland mal wieder etwas überziehen sollten…
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