Da steht ‘n Hippo im Garten

Sieben Stunden Fahrt bringen uns in den Süden von Sambias an den Rand des „Lower Sambesi National Park“ für unser gemeinsames Zwischenseminar. Das Ziel für die Zeit ist gute Gemeinschaft, Team Buildung, Spaß und natürlich viel Input für uns Kurzzeitler, den man thematisch als „Zugänge zu Gott“ zusammen fassen könnte. Während der Fahrt wissen wir noch nicht, wo es für unser Zwischenseminar hingeht.

Deswegen werden wir umso mehr überrascht von dem Anblick unseres Selbstversorger Hauses mit Blick auf den Sambesi und Simbabwe auf der anderen Uferseite. Wir werden von Hippos begrüßt, die im Sambesi immer wieder auf und ab tauchen. Die Flusspferde sind für mich schon ein richtiges Highlight! Es ist das erste Mal, dass ich Savannentiere in der Wildnis sehe. 

Nachmittags gesellen sich Affen zu uns in den Garten. Sie tollen sich im Schatten unter den Bäumen, jagen sich durch die Äste oder lassen sich geduldig von einem älteren Affen ihr Fell säubern. Was ein Schauspiel diese genialen Tiere und ihre Verhaltensweisen zu beobachten.

Mitten in der Nacht werde ich von Liane aus dem Tiefschlaf gerissen. Sie glaubt, dass wir ein Hippo im Garten haben. Den Tag zuvor habe ich gelernt, dass Hippos den Tag über im Wasser verbringen und nachts an Land kommen. Über Nacht fressen sie und legen dabei bis zu 40km Strecke an Land zurück. Zum Sonnenaufgang steigen sie wieder ins Wasser und der Spaß beginnt von vorne. Binnen zwei Sekunden bin ich also hellwach und trete auf den Balkon in die nächtliche Dunkelheit hinaus. Ich stehe noch nicht mal an der Brüstung, da höre ich schon ein unerwartet lautes Geräusch. Es klingt wie eine Monster-Kuh, die unermüdlich am Grasen ist. 

Tatsächlich erkenne ich einen riesen Schatten, als ich den ersten Blick über das Geländer werfe. Ich hatte mich auf ein großes Tier eingestellt, aber was ich da vor mir sehe, übersteigt nochmal um einiges, was ich mir vorgestellt hatte. Mit einer Inbrunst rupft das Hippo büschelweise Gras aus und läuft mampfend Stück für Stück durch unseren Garten. Als wir uns aus der ersten Starre wieder gelöst haben, wechseln wir unseren Beobachtungsposten von Balkon auf die Terrasse und sind jetzt wirklich nur noch so fünf Meter von diesem gewaltigen, laut mampfenden Tier entfernt. Ich bin dankbar und überwältigt von diesem kostenlosen Tierkino, dass sich uns hier bietet. Am nächsten Tag erfahren wir morgens beim Frühstück, dass wir uns im Dunkeln nicht zu sehr ohne ein Sambier vom Haus entfernen sollen, da die Löwen, die Elefanten und die Hyänen gerade wieder in unserem Umfeld unterwegs seien. Das klingt doch super… 

Später sind wir tief versunken in eine Lerneinheit, im Hintergrund vegetieren die Hippos im Sambesi vor sich hin, als irgendwer „Elefanten“ ruft. Eine willkommene kleine Pause bescheren uns die drei grauen Riesen, die wir vom Balkon aus in nächster Nähe beobachten können. Obwohl sie so groß sind, sind Elefanten wirklich süße Tiere, habe ich für mich festgestellt. Einige Zeit schauen wir ihnen beim Futtern und durchs hohe Gras wandern zu, bis sie sich wieder Richtung Flussarm entfernt haben. In der nächsten Nacht dürfen wir noch ein Hippo beobachten.

Morgens sowie abends malt uns die Sonne ein weiteres Naturschauspiel an den Himmel. Der Sonnenuntergang färbt den Himmel jeden Abend intensiv rot, wie ich es in Deutschland noch nie gesehen habe. Der Sonnenaufgang gegen 05:30 Uhr dagegen bringt etwas Frisches und Neues mit sich. Nachts belohnt uns die Dunkelheit weit entfernt von jeglichen Stadtlichtern mit einem gewaltigen Sternenhimmel. Die Milchstraße ist deutlich zu erkennen und „Oh, da war eine Sternschnuppe! Die hatte aber einen gewaltigen Schweif!“, hören wir nicht nur einmal jemanden sagen. Die eine Nacht verbringen wir sogar komplett draußen unterm Sternenhimmel. Es ist so mild die ganze Nacht durch, dass die dünne Decke und das kurze T-Shirt genug wärmen. Abends unter diesem Himmel einzuschlafen und morgens mit und von dem ersten Licht wieder aufzuwachen, ist wirklich schwer zu toppen. Aber ich werde eines besseren belehrt…, denn am Freitag sollten uns die Savannentiere nochmal aufs Neue beeindrucken.

Wir starten morgens um 6 Uhr in unseren Tagesausflug. Mit dem Boot geht es den Sambesi hinunter. Wir düsen der aufgehenden Sonne entgegen. Das Wasser ist für einen Fluss zunächst recht aufgewühlt, sodass wir mit dem Bug voran gegen die Wellen klatschen. Nach einer halben Stunde ist die Wasseroberfläche fast spiegelglatt. Der Fluss wirkt jetzt nahezu idyllisch trotz seiner Größe. Wir sehen die ersten Impalas am Flussufer, spotten die ersten Flusspferde im Wasser und dann begrüßt uns ein Elefant, der am Ufer sein Frühstück einnimmt. Zwischendurch müssen wir aufstoppen und langsam fahren, weil die Wassertiefe knapp wird, aber nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir erfolgreich unser Ziel - die Royal Sambesi Lodge. Hier steigen wir um auf das Safari Auto, mit dem wir unseren Game Drive richtig starten. Gleich hinter der ersten Ecke begrüßen uns die zwei Affen, die miteinander auf der Lodgemauer vögeln. Willkommen in der Natur.

 

Der Weg ist nicht unbedingt eine asphaltierte glatte Straße. Er ist viel mehr teilweise fast nicht befahrbar. Zwischendurch ist sie so uneben und immer wieder von tiefen Furchen durchzogen, dass ich ein paar Mal Angst habe, dass wir alle mitsamt dem Auto umkippen. ( ! Spoiler: Wir sind nicht umgekippt, die Guides haben uns Stück für Stück, mal langsamer und mal schneller, mal gerade und mal bedrohlich gekippt durch die Wildnis manövriert. ! Zweiter Spoiler: Dafür gab es andere Zwischenfälle…) Der Weg wird immer dichter, Grünzeug peitscht uns ins Gesicht, wenn wir nicht aufpassen, denn das Auto ist offen. Immer wieder begrüßen uns Herden von Impalas, diese Tiere hatte ich hier gar nicht auf dem Schirm und freue mich über die positive Überraschung. Wie aus dem Nichts tauchen die ersten Elefanten auf. So geht es mir einige Male. Man fährt durch wie ausgestorbene Savanne, hat das Gefühl hier gibt es überhaupt keine Tiere und dann steht plötzlich zwei Meter neben dem Auto ein Elefant, der sich zum Beispiel wie auf dem Bild zu sehen im Matsch desinfiziert und wäscht.

Vor uns läuft eine Elefantenfamilie durch ein ausgetrocknetes Flussbett, in dem wir dann für unsere Frühstückspausen halt machen. Es ist schon komisch in einem offenen Auto durch diese Wildnis zu fahren, in der hinter jeder Ecke ein Savannentier stehen könnte, dass zu mindestens in einigen Situationen gefährlich werden könnte. Noch einen Schritt komischer ist es aber, aus diesem Auto auszusteigen und sein Picknick zehn Meter entfernt vom Auto aufzubauen. 

Genau das machen wir, nachdem der Guide die Umgebung „gecheckt“ und für uns freigegeben hat. Während der gesamten Pause läuft der Motor des Autos. Zuerst habe ich mir diese Spritverschwendung damit erklärt, dass wir in einem Notfall schneller wegfahren könnten. Tatsächlich ist der wahre Grund, dass sie vielmehr Angst haben, dass der Wagen nicht wieder anspringt, wenn sie den Motor ausmachen… Was soll man dazu sagen? Bevor es wieder los geht, steht für einen Toilettengang der Busch rechts oder der links zur Auswahl. Einfach klatschend vorwagen, so wie der Guide auch die Umgebung „gecheckt“ hat, das wird schon gut gehen…

 

Wir verlassen die offenere Landschaft und fahren durch ein dicht überwuchertes Gebiet - fast schon urwaldmäßig. Wobei fahren der falsche Ausdruck ist. Wir ruckeln und holpern vielmehr. Am Ende einer Sackgasse dürfen wir nochmal aussteigen und folgen unserem Guide ans Ufer eines Flusses. Wie wir da so an der Wasserkante stehen, hat vor kurzer Zeit auch ein Löwe und ein Krokodil gestanden, sagen uns laut Guide die Fußspuren. Bevor wir überhaupt richtig verstehen, was abgeht, sind wir schon die Hälfte des Felsen hinter dem einen Guide her raufgeklettert. Scheinbar geht es da zu einem Wasserfall… die Devise ist einfach mal hinterher und hoffen, dass keine Affen in der Zwischenzeit unser Zeug aus dem Auto klauen.

Das Rauschen von Wasser wird tatsächlich lauter und dann sehen wir hinter der Felskante die Wassermassen zwischen abgeschliffenen Steinen in den Fluss hinunterrauschen. Da will ich definitiv nicht reinfallen. Wir genießen nicht allzu lang die Aussicht von hier oben, denn wir wollen unser Glück nicht zu sehr herausfordern, dass uns hier gerade kein wildes Tier so direkt über den Weg läuft. Als gesammelte Mannschaft erreichen wir ohne weitere Zwischenfälle unser Auto inklusive Rucksäcken. 

 

Also alles nochmal gut gegangen, aber ich weiß, ihr wartet schon gespannt auf die gespoilerten Zwischenfälle, nicht wahr?!

 

Unsere Tour geht weiter. Wir entdecken viele bunte Vögel, riesige Adler, eine Eule inmitten von Blättern und die Nester von Marcstwilla Vögeln. Wir lernen Baobab Bäume und den Sausage Tree kennen. Warzenschweine und ein Kudu kreuzen unseren Weg, kleine braune Eichhörnchen, eine Mini-Schildkröte bringt sich vor unseren Reifen in Sicherheit, Marabu Störche bevölkern ganze Bäume und einige Elefanten sind doch nicht ganz sicher im Dickicht vor unseren guten Augen. Als die Landschaft wieder etwas weitläufiger und weniger dicht bewachsen wird, entdecken wir in einiger Entfernung etwas, das unsere Aufmerksamkeit hegt. Als wir uns dem grauen Etwas langsam mit dem Auto nähern, keimt schon eine leise Vorahnung auf, denn am Wegesrand sitzen plötzlich Aasgeier in den Bäumen. Tatsächlich liegt dort ein Elefantenkadaver, der schätzungsweise seit einer Woche tot ist.

Aber nicht nur das, trotz unserer Entfernung von ca. 15 Meter, können wir problemlos erkennen, wie der Elefant sein Leben verloren hat. Mehrere große Einschusslöcher sind auf seinen Vorderbeinen zu erkennen. Sein Kopf ist zwar schon stark verwest, aber die Stoßzähne sind eindeutig nicht mehr da. Auch wie der Leib des Tieres so rechtwinklig aufgeschlitzt und aufgeklappt ist, deutet ganz klar auf Wilderer hin. Der Guide bestätigt unsere Vermutungen, betont aber auch, dass dies in dieser Region wirklich äußerst selten passiert und mit hohen Strafen geahndet wird. Trotzdem lässt dieser Anblick in uns einige unruhige Emotionen hochkommen.

 

Weiter geht es Richtung Wasserlöcher. Jetzt zur Mittagszeit kommen die Tiere zum Trinken raus und wir hoffen auf eine tierische Vielfalt an einem der Wasserlöcher dazu zu stoßen. Auf unserer Mission passieren wir ein weiteres ausgetrocknetes Flussbett, dass noch eine große Rolle in dieser Geschichte spielen sollte. Wir fahren in die Sandgrube rein, aber nicht wieder aus der Sandgrube raus und der Motor ist plötzlich aus. Aber keine Panik der Motor springt gleich wieder an. Trotzdem scheinen wir aus der Grube nicht mehr rauszukommen. Erst wirkt es als hätten wir uns festgefahren, wofür es jedoch keinen ersichtlichen Grund gibt. Nach einiger Zeit öffnet unser Guide die Motorhaube. Kein gutes Zeichen, aber schon nach nur zwei Monaten Sambia, habe ich ein großes Stück Gelassenheit gelernt und ein bisschen Zuversicht, dass schon alles irgendwie klappt. Nach einiger Zeit des rumbasteln der Sambier und des Wartens unsererseits, beichten sie uns, dass das Getriebe gebrochen ist. Wir stehen also mitten in der Wildnis auf der Suche nach Löwen, ohne Empfang, mit völliger Orientierungslosigkeit (zu mindestens was uns Deutsche angeht) und unser Auto ist kaputt. Im Nachhinein finde ich es doch bemerkenswert mit welch einer Gelassenheit unsere gesamte Gruppe diese Nachricht aufgenommen hat. Da hat Sambia offensichtlich schon seine Spuren bei jedem von uns hinterlassen.

Eine Stunde später kommen die ersten Elefanten bei uns vorbei. Wir haben mittlerweile unser Mittag gegessen und zwei von unseren drei Guides sind zu Fuß losgelaufen, um einen Ersatzwagen zu organisieren. Ihre Aussage „Wir sind gleich wieder zurück.“ ist mittlerweile auch schon fast die eine Stunde her. Da wir sowieso nichts anderes machen können, als zu warten, versuchen wir uns im und ums Auto herum gemeinsam bei Laune zu halten. Zwischendurch macht der ein oder andere ein Mittagsschläfchen auf der Rückbank, der nächste übt Knoten mit seinen Schnürsenkeln, wir spielen Koffer packen, beobachten ein zweites Mal vorbeiziehende Elefanten… was man halt so macht wartend mitten im Nirgendwo. Inzwischen ist es 16 Uhr, das heißt es sind drei Stunden vergangen, seitdem sich unsere Guides auf den Weg gemacht haben. Wir kommen an den Punkt, dass wir uns das erste Mal darüber Gedanken machen, was passiert, wenn wir hier noch im Dunkeln so ausharren oder schlimmer, ihnen auf ihrem Weg irgendwas zugestoßen ist. Auch dass wir unseren Leitern nicht Bescheid geben können, dass es uns gut geht, wir uns aber verspäten, bereitet uns Sorgen. Da hilft nur eins, sich ablenken mit den letzten Snacks, die wir bis jetzt für schlechte Momente vorgehalten haben.

Nochmal ungefähr eine Stunde später (wir sind jetzt bei 4h warten) hören wir ein Motorengeräusch und kurz danach taucht tatsächlich ein weiteres Safari Auto um die Ecke auf. Nach kurzer Umpack Aktion sind wir auf dem Rückweg zur Lodge. Der Rest unserer Safari Tour verfällt aus gegebenen Umständen leider, dafür hatten wir Abenteuer, um die Situation positiv zu sehen. In der Lodge steigen wir wieder aufs Boot und fahren dank des langen Wartens in den Sonnenuntergang hinein zurück zu unserer Unterkunft. Die Fahrt ist zu meiner Freude nochmal gefüllt von Tieren.

 

Immer wieder entdecken wir Flusspferde im Wasser, schon an Land oder auf ihrem Weg dorthin. Wir sehen Krokodile auf „Sandbänken“ liegen, hüpfende Impalas an der Uferkante und Elefanten in Scharen. Unser Motor läuft etwas heiß und fällt einmal aus, aber unser Guide möchte unbedingt vor Dunkelheit ankommen. Er schmeißt den Motor direkt wieder an und fährt einfach mit offener Motorklappe weiter, als wenn das alle Probleme lösen würde. Ich bete einfach nur, dass nichts mehr passiert, auch wenn wir Schwimmwesten unter den Sitzen haben. Mit dem Wasser an sich habe ich kein Problem. Mit den Krokodilen darin schon… 

 

Tatsächlich erreichen wir mit der Dunkelheit erschöpft und erleichtert den Steg, an dem wir morgens um 6 Uhr gestartet waren. Mit von Eindrücken gefüllten Köpfen betreten wir voller Vorfreude auf gutes Abendessen wieder festen Boden. Ich muss sagen ich bin sehr dankbar für diesen Tag und alle Dinge, die er mit sich gebracht hat, aber ich bin auch froh, unversehrt wieder zurück gekommen zu sein.

 

(Ein Dank geht raus an Maira, die mit ihrer Kamera die meisten Tierbilder gemacht hat und sie dann für euch mit mir geteilt hat!)

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Kommentare: 3
  • #1

    Anne Mohrdieck (Donnerstag, 30 März 2023 23:25)

    Was erlebt IHr fuer tolle abenteur. und was ihrballes lernt. einfachb toll!!!

  • #2

    Judith (Samstag, 01 April 2023 07:21)

    Da wäre ich gerne dabei gewesen! Danke für deinen spannenden Bericht!

  • #3

    Felix (Donnerstag, 06 April 2023 13:35)

    UNREAL ICH LIEBS!!! so spannend geschrieben auch ich warte danach auf dein Buch!